blog, casa d'angel

Wir nehmen einen Tonklumpen …

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

  • Fotos : Jörg Rüedi (JR), Rita Illien (RiIl) und Claudia Schmid (CS).

Wir nehmen einen Tonklumpen und schaffen Zukunft – die Zukunft gehört allen

– von Jean-Pierre Wolf

Que será será! Die Zukunft ist sprachlos. Deshalb müssen wir, die wir nicht mehr Orakel, Kristallkugeln oder Tarotkarten befragen (und auch gegenüber den Futurologen misstrauisch bleiben), uns selber darüber Gedanken machen. Doch, wer sich die Zukunft unserer Bergdörfer ausdenkt, sollte kräftig ans Werk gehen. Am besten mit einem Stück weicher Tonerde, das sich gut drücken, ziehen, pressen, kugeln, walzen, portionieren und neu zusammensetzen, formen und umformen lässt. Und weil die Zukunft einem Gespenst gleicht, das die Mutigen zuerst erblicken, sollte man nicht allein bleiben, sondern in der Gemeinschaft an die Arbeit gehen. – So war die Ausgangslage am 8. Februar 2020 in der Valser Turnhalle, wohin das Forum Vals Einheimische, Zweitheimische, Kinder, Jugendliche, Interessierte und Neugierige eingeladen hatte: „Wir nehmen einen Tonklumpen und schaffen Zukunft – die Zukunft gehört allen „.

Der Valser Anlass hatte gleich mehrere Mütter. Zum einen die Casa d’Angel in Lumbrein mit ihrer Einladung, zur FUTUR-Serie beizutragen. Forum Vals beteiligt sich seit einigen Jahren am wiederkehrenden Lumnezer Kulturprogramm. Zum andern hat Forum Vals bereits früher zu Dorf-Dialogen ermuntert, wie etwa jenem von 2016, der sich mit der Zukunft des Dorfes befasste. Daran wollten wir anknüpfen. Schliesslich braucht es eine zupackende Vorbereitungsgruppe (Ruth Rieder, Heidi Ruef, Claudia Schmid, Ursula Berni, Rita Schmid), denn ohne diese haben auch grosse Dorfperspektiven nur geringe Zukunft.

Die Zukunft beginnt immer erst nach dem Kaffeetrinken. Deshalb trifft  man sich am frühen Nachmittag in der sorgfältig hergerichteten Turnhalle. Insgesamt finden sich 31 Personen ein. Diese machen sich nach einer kurzen Einführung daran, an fünf Tischen ihren Vorstellungen vom zukünftigen Leben im Bergdorf Form zu verleihen. Alle haben dazu vor sich einen Tonklumpen, etwa zwei Kilo schwer, und beginnen diesen zu kneten. Zukunftswesen, Fabelwesen, menschen-, tier-, pflanzen-, maschinenähnliche Wesen oder eine Mischung aus allem entstehen.

Wie verläuft der Prozess konkret? Zur Illustration, meine Erfahrung. Ich selber bin neugierig dabei und trage mich mit der Vorstellung einer langen Reihe von Felsenwohnungen auf der Westflanke über dem Dorf. Sie würden mit dem aus dem Berg quellenden Warmwasser geheizt (es wird zur Zeit dem ‚Alpine Luxury‘ von Hotel 7361 gratis zur Verfügung gestellt) und bieten 100 kinderreichen Flüchtlingsfamilien eine sichere Perspektive. Das ist lebenswerte und lohnende Zukunft, stelle ich mir vor und drücke Höhlen, Zäune und Treppchen in den Klumpen, glätte hier ein Plätzchen, lasse dort ein Tännchen stehen. Gewiss, es braucht eine Portion Phantasie, um das alles so wie ich zu sehen. Doch die fünf Minuten für die erste Runde sind bereits vorüber und ich reiche meine Arbeit zur Nachbarin nach rechts und erhalte zur weiteren Bearbeitung das Gebilde vom Nachbarn zu meiner Linken. Der, scheint mir, ist eher zoologisch interessiert und hat einen Drachen mit riesigen Ohren geformt. Ich platziere auf seinem Rücken eine Reiterfigur mit hängenden Zügeln an den ausgestreckten Armen. Irgendwer muss dem Viech auch in der Zukunft eine Richtung geben, denke ich. Ich reiche den berittenen Drachen nach rechts und erhalte dafür von links ein organisch geformtes Gefäss, einem Aschenbecher ähnlich. – So gehen die Arbeiten im Kreis herum, bis alle Skulpturen eine ganze Tischrunde hinter sich haben. Meine Felsenwohnlandschaft steht jetzt wieder vor mir. Allerdings radikal verändert. In einem runden Korral reckt sich eine Palme hoch und einige dicke Tiere (Wiederkäuer?) spazieren oder liegen darunter. Eine Höhle ist geblieben, steigt allerdings senkrecht in die Höhe wie ein vorindustrieller Kamin.

Jetzt werden alle Skulpturen auf einem Tisch vereint, ausgestellt, betrachtet, kommentiert, mit Linien verbunden, mit Sprüchen versehen. Es ist eine bunte, vielförmige und fabelhafte Gesellschaft, die sich zusammengefunden hat und zu farbigen Kommentaren Anlass gibt. Ich unterlasse es, nach mehreren langfädigen Versuchen, hier diese Vielfalt mit Worten zu beschreiben und verweise auf die Bilderserie von Jörg Rüedi, Rita Ilien und Claudia Schmid.

Hier eine Sammlung von Zitaten, die den Skulpturen hinzu gefügt sind:

«Alles ist offen nach vorne hin / Achtet auf euch und die Natur / CO2 positiv / Wasser ist wichtig / Ich schaue genau hin – und pflanze einen Wald / Ich möchte Spass haben / Lass‘ was dir nicht gut tut! / Lass dich treiben! / Ich hau ab! /Make love, not war / Behalte den Humor / Brücken bauen – verbinden / Ohne Brücken, Treppen und Stege geht nichts! / Löcher graben, Tunnel bauen / Neues Wohnen / Die Landschaft! Haltet Sorg zu dem, was Vals ausmacht / S’Gärtli pflega (?!) / Neue Tiere kommen / Gemeinschaft – Respekt – Geborgenheit – Nachhaltigkeit / Nehmen wir uns die Zeit zum Wortwechsel, Gespräch… / Jeder hat eine Stimme! / Es soll so bleiben, aber offen bleiben!!!»

Der Austausch vor dem Tisch ist lebendig und wäre unerschöpflich. Doch um 17.45 ist Schluss. Valserwasser, Kaffee und Glühwein à la Thomas Meier warten auf die Teilnehmenden. Der Anlass hat bewiesen, vor der Zukunft verkriechen wir uns nicht. Aber wir sind uns bewusst, meistens entscheidet sie, wer Recht hat … na ja, etwas Gestaltungskraft trauten wir uns heute zu. Ganz einfach haben wir es der Zukunft nicht gemacht.

Ich schreibe den vorliegenden Bericht im Valser Lockdown. Ich höre mehrmals lautes Brüllen wie von einem Esel. Es ist die kurzbeinige, tripano-tolerante und enthornte Dahomey-Kuh aus dem Gehege hinter dem Altersheim, die, vielleicht aufgeschreckt vom Donnerknall der Felsensprengung im Steinbruch, sich empört, ja, fast zornig manifestiert. Vor einigen Tagen trippelten drei Alpacas hochnäsig am Volg-Laden vorbei.

kontakt@forumvals.ch